Ja meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zum Vortrag, haben wir übertriebene
Sozialleistungen, gemeint sind natürlich Sozialleistungen in Deutschland und wie
Sie alle wissen, ist das ein Thema, was politisch von außerordentlicher Virulenz
ist und praktisch permanent auf der politischen Agenda steht. Und ich will
mich heute Abend etwas kurz fassen und möchte Ihnen prägnant und komprimiert
einiges dazu sagen, was man aus ökonomischer Perspektive hierzu sagen
muss. Zunächst, um welche Sozialleistungen geht es eigentlich? Man kann das
unterteilen in Leistungen für soziale Sicherheit und in Leistungen für soziale
Gerechtigkeit. Ich habe es in Anführungszeichen gesetzt. Soziale
Sicherheit, das wissen Sie alle, da geht es um die Sozialversicherung, um Renten,
Kranken, Pflegeversicherung und solche Dinge. Also Leistungen, die dazu gedacht
sind, zu verhindern, dass Einzelne in bestimmten Lebenslagen in Not kommen.
Versicherungskarakter steht hier klar im Vordergrund. Bei der sozialen
Gerechtigkeit ist es etwas anderes. Darunter fällt in erster Linie
Umverteilung der Einkommen und Vermögen mit dem Ziel, eine irgendwie geartete
gleichmäßigere Einkommens- und Vermögensverteilung herzustellen.
Das wird üblicherweise getan durch Steuern, progressive Steuern oder
Transferzahlungen. Beispiele für Leistungen in diesem Bereich, ja Sozialhilfe,
Kindergeld, Vermögensbildung, ja bei der Sozialhilfe, das ist so etwas ein
Zwitter. Aber nur, um Ihnen hier mal einige Beispiele zu nennen. Das
Wohngeld wäre sicherlich auch so ein Beispiel. Von der Finanzierungseite her
soll idealtypisch soziale Sicherheit weitgehend beitragsfinanziert sein.
Prinzip Leistung gegen Gegenleistung. Versicherungsbeiträge in der
gesetzlichen Sozialversicherung gegen Leistungen im Falle des Falles.
Krankheit, Rente. Soziale Gerechtigkeit weitgehend steuerfinanziert. Ich sagte
es schon über das Steuer- und Transfersystem. Wir haben in Deutschland
klar ein Grundgesetz verankert, das Sozialstaatsgebot. Das gilt für heutige
Industriestaaten im Prinzip allgemein. Es sind diese Länder in der einen oder
anderen Form. Alle Sozialstaaten, allerdings mit unterschiedlicher
Ausprägung. Der Umfang der sozialstaatlichen Aktivität variiert
erheblich. Als Extrembeispiele habe ich Ihnen die USA oder Schweden hier
angeführt. Mit wenig bzw. viel Sozialstaat.
Nun ist es gegenwärtig so, dass der Sozialstaat in die Kritik geraten ist.
Einige Stichworte. Immer höhere Sozialabgaben erhöhen die Lohnnebenkosten.
Das bezieht sich vor allen Dingen auf den Bereich Sozialversicherung. Soziale
Leistungen, denken Sie an die Krankenversicherung oder an die Rentenversicherung,
werden gleichzeitig gekürzt. Die Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
mehrfach gekürzt worden. Renten sind nicht absolut gekürzt worden, aber die
Zuwächse sind geringer geworden. Und das ist etwas, was die große Mehrheit in der
Bevölkerung nicht versteht, wenn einerseits die Abgabenlast steigt und
andererseits das Leistungsniveau zurückgeht. Ein weiteres Stichwort
Missbrauch von Sozialleistungen. Da wird viel darüber diskutiert, wie gravierend
das Problem ist, ist schwer zu sagen. Ich will mich auch an weiteren Spekulationen
hier nicht beteiligen. Letzter Punkt. Arbeitsanreize werden reduziert, wenn
zusätzliche Einkommen zu hoch besteuert werden. Ich bin froh, dass ich für diesen
Vortrag hier kein Hurra bekomme. Ich muss es nicht versteuern.
Welch wunderbare Situation. Nun, fragen wir uns mal, welches Niveau
sozialer Leistungen ist eigentlich angemessen. Wenn wir von übertrieben oder
überzogen reden, müssen wir wissen, was ist angemessen.
Presenters
Prof. Dr. Richard Reichel
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:27:20 Min
Aufnahmedatum
2001-10-25
Hochgeladen am
2017-07-04 14:58:09
Sprache
de-DE
Deutschland nimmt unter den Industrieländern einen vorderen Platz bei der sozialstaatlichen Absicherung ein. Angesichts der Finanzierungsprobleme des Sozialstaats stellt sich aber die Frage, ob die Leistungen in der gegenwärtigen Höhe notwendig und sinnvoll sind bzw. wo Reformbedarf besteht. Es läßt sich festhalten, daß der Bedarf an sozialen Leistungen in Deutschland angesichts des hohen Pro-Kopf-Einkommens geringer ist als gegenwärtig angenommen wird. Des weiteren werden zahlreiche Sozialleistungen ineffizient erbracht. Eine private Absicherung würde demgegenüber einerseits mehr Wahlmöglichkeiten eröffnen, andererseits Kosten einsparen. Ein generelles Problem des staatlichen Sozialsystems ist die mangelnde Zielorientierung und die völlig undurchsichtigen Verteilungswirkungen. Reformen in diesem Bereich könnten einerseits zu Leistungsverbesserungen für wirklich Bedürftige, andererseits zu Kosteneinsparungen führen.